EGMR-Urteil: Mitarbeiterchats dürfen nicht heimlich überwacht werden

Markus Kasanmascheff, 05.09.2017 16:33 Uhr 8 Kommentare
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in einem Urteil entschieden, dass Unternehmen private Chats von Mitarbeitern am Ar­beits­platz nicht ohne deren Kenntnis überwachen dürfen. Geklagt hatte ein Mann aus Rumänien, der wegen der Nutzung des Yahoo-Messengers für private Gespräche seinen Job verloren hatte. Der Arbeitgeber des Mannes hatte die Chat-Gespräche, in denen es unter anderem um Ge­sund­heits­the­men und dessen Sexualleben ging, kontrolliert, und ihm bei seiner Entlassung ein 45-seitiges Chatprotokoll als Begründung vorgelegt. Mitarbeitern des Unternehmens war im Arbeitsvertrag explizit die private Nutzung des Internets untersagt worden. Da es sich um einen Messenger-Account der Firma für Kundenkontakte handelte, hatten die Vorgesetzten des Mannes leichten Zugriff.

Heimliche Überwachung nicht erlaubt

Das EGMR kritisiert in seinem Urteil, dass der Mann vorab nicht über eine eventuelle Überwachung informiert worden sei. Rumänische Gerichte, bei denen der Mann zuvor mit Klagen gescheitert war, hätten das Recht auf Privatsphäre des Mannes nicht ausreichend berücksichtigt.

Mit dem Urteil beeinflusst das EGMR das Recht der im Europarat versammelten 47 Staaten, zu denen neben den EU-Ländern auch Russland, die Türkei und EU-Anwärter auf dem Balkan wie Serbien und Albanien gehören. Alle teil­neh­men­den Länder verpflichten sich zwar, die Ur­tei­le des EGMR zu befolgen. In der Realität gibt es allerdings Probleme mit der Umsetzung, da Folgeverfahren in manchen Ländern verschleppt oder aus politischen Grün­den blockiert werden.

Arbeitsplatzüberwachung in Deutschland

Wie brisant das Thema der Ar­beits­platz­über­wach­ung in der Zukunft noch werden kann, zeigt das von Microsoft für Office 365 vor kurzem vorgestellte Mitarbeiter-Analysetool Workplace Analytics. Dieses bietet Ma­na­gern mit Office 365 Enterprise-Konto als Addon detaillierte Analysewerkzeuge, um die Produktivität ihrer Mitarbeiter zu messen und ermittelt dafür die durchschnittlich in Be­sprech­un­gen verbrachten Stunden, die Anzahl von Terminen und wie stark Mitarbeiter per E-Mail oder über Meetings miteinander interagieren.

Ob für die Auswertung von Chat-Nachrichten oder des Arbeitsverhaltens - in Deutschland ist die Privatsphäre von Arbeitnehmern dank des Betriebsverfassungsgesetzes gut geschützt. Vor einer Nutzung von Workplace Analytics oder anderen Überwachungsmethoden müssen die Arbeitgeber explizit die Zustimmung ihrer Mitarbeiter einholen. Geschieht dies nicht, haben diese sehr gute Chancen, bei den Arbeitsgerichten erfolgreich gegen ihre Arbeitgeber zu klagen.
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