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Krise auf lange Sicht:
Frankreichs AKW-Neubau verzögert sich weiter

Frankreich dürfte den europäischen Strommarkt mit seinem Fokus auf Kernkraft auch über viele weitere Monate in Geiselhaft halten. Wie sich jetzt herausstellte, wird der neue Reaktor in Flamanville sich noch einmal deutlich verzögern.
19.12.2022  10:22 Uhr
Stromerzeugung: Folgekosten von Atomstrom am höchsten Infografik Stromerzeugung: Folgekosten von Atomstrom am höchsten

Viele der alten Atomanlagen Frankreichs können seit Monaten nicht mehr wie vorgesehen arbeiten, da die Wartungen sich hinziehen und ein Betrieb aufgrund diverser Defekte nicht möglich ist. Teils standen über die Hälfte der Reaktoren nicht für die Stromproduktion zur Verfügung. Die Hoffnung bestand daher darin, dass zumindest die Fertigstellung des jüngsten Kraftwerk-Blocks in Flamanville etwas Linderung bringt.

Dem ist aber nicht so: Wie der Betreiber EDF jetzt laut eines AFP-Berichtes mitteilte, traten bei Schweißarbeiten erneut Probleme auf. Die Inbetriebnahme wird sich nach den bisherigen Schätzungen dadurch um mindestens weitere sechs Monate verzögern. Das bedeutet konkret, dass der Reaktor nicht irgendwann im kommenden Jahr, sondern voraussichtlich erst Mitte 2024 Strom in das Netz einspeisen wird.

Als man im Jahr 2007 mit dem Bau des neuen Reaktors begann, plante man eigentlich eine Inbetriebnahme für das Jahr 2012 und Kosten von 3,3 Milliarden Euro. Somit übersteigt die Verzögerung bei der Fertigstellung bereits die Marke von zehn Jahren deutlich und die Kosten haben sich je nach Berechnungsgrundlage auf nun schon mindestens 13 Milliarden Euro vervielfacht.

Es wird kaum besser

Der französische Präsident Emmanuel Macron sprach trotz dieser Entwicklung noch vor einigen Monaten von einer "Renaissance der Kernenergie". Seine Regierung wolle mit bis zu 14 neuen Reaktoren für die Zukunft planen. Selbst wenn diese dann bei Kosten und Bauzeiten im Rahmen der Planungen bleiben - was angesichts vergleichbarer Projekte kaum anzunehmen ist - wird Frankreich wohl noch über viele Jahre hinweg mit gravierenden Produktionsengpässen zu kämpfen haben. Immerhin dürften die alten Anlagen, die man derzeit kaum zum Laufen bekommt, nicht noch weit über zehn Jahre Strom liefern.

Bereits jetzt muss Frankreich enorme Mengen Strom aus anderen Ländern, unter anderem Deutschland, importieren. Insbesondere wenn der Winter kalt werden sollte, dürfte es aufgrund der Engpässe teilweise zu Strom-Abschaltungen kommen. Für den Staat bedeutet die Situation bereits jetzt eine Kostenexplosion. Denn der Strom aus der Kernkraft ist bereits teuer und die notwendigen Importe bringen noch höhere Preise mit, sodass die Energiekosten mit enormen Mitteln subventioniert werden müssen, damit nicht weite Teile der Bevölkerung finanziell komplett überlastet werden. Und der hohe Importbedarf Frankreichs wird auch weiterhin dazu führen, dass die Marktpreise hierzulande deutlich höher sind, als sie sein sollten.

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