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Cyberwar: Russland wurde auch auf digitalem Schlachtfeld überschätzt

Russland ist offenbar nicht nur hinsichtlich seiner konventionellen militärischen Stärke deutlich überschätzt worden - auch in Sachen Cyberwar kam es bisher nicht zu den massiven Schlägen, mit denen viele Experten eigentlich gerechnet hatten.
10.06.2022  10:31 Uhr
"Unter uns Cybersicherheits-Experten waren wir uns aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit dem russischen Verhalten und den russischen Fähigkeiten ziemlich sicher, dass es zu einem Cyber-Pearl-Harbour kommen würde", erklärte General Karol Molenda, Leiter des Nationalen Cybersicherheitszentrums Polens, laut eines Berichtes der Nachrichtenagentur AFP auf einer Tagung mit Kollegen im französischen Lille.
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Molenda verwies darauf, dass man in dieser Hinsicht auch einiges von der Ukraine lernen könne. Denn diese sei gut vorbereitet gewesen und habe den Angriffen aus Russland auch im digitalen Raum bisher gut standgehalten. Dies zeige, dass man sich auf einen Cyberkonflikt gegen Russland einstellen könne und das der Gegner zwar "gut in der Offensive, aber nicht so gut in der Verteidigung" sei, fügte der polnische General hinzu. Letzteres hätten die Angriffe verschiedener unabhängiger Aktivisten gezeigt, die einigen Erfolg dabei hatten, staatliche IT-Systeme Russlands ins Visier zu nehmen.

Bei einer Analyse der Cyberwar-Aktivitäten Russlands im Zusammenhang mit dem Überfall auf die Ukraine zeigte sich nach Einschätzung des litauischen Cyber-Sicherheitschefs, Oberst Romualdas Petkevicius, das gleiche Problem, das auch beim Zusammenspiel anderer Waffengattungen zu erkennen war: Russland sei "nicht bereit, einen koordinierten Cyber- und kinetischen Krieg zu führen". Militär-Experten hatten zuvor bereits mehrfach herausgearbeitet, dass auch die Koordination zwischen Bodentruppen und Luftwaffe oder auch den verschiedenen bodengebundenen Einheiten nicht gerade gut organisiert sei, was es den ukrainischen Verteidigern möglich machte, dem Angriff standzuhalten.

Undurchsichtige Lage

"Vielleicht haben sie es nicht geschafft, das so zu organisieren, wie sie es wollten. Oder ihre Kapazitäten sind nicht so stark, wie wir es uns vorstellen", führte auch General Didier Tisseyre, Chef der französischen Cyberabwehr, aus. Allerdings sei eine genaue Analyse der Kräfteverhältnisse zwischen den Cyberwar-Teams Russlands und der NATO auch nicht gerade einfach, da diese sich nicht direkt gegenüberstehen.

Tisseyre verwies darauf, dass letztlich nicht nur die ukrainischen Experten mit den russischen Attacken im digitalen Raum zu tun haben, sondern sich auch diverse unabhängige Aktivisten sowie Unternehmen wie Microsoft und SpaceX beteiligen. Der aktuelle Konflikt im Cyberspace "ist wie eine Rugby-Weltmeisterschaft, bei der alle Mannschaften ohne ihre charakteristischen Trikots auf dem Spielfeld stehen. Auch die Öffentlichkeit ist auf dem Platz und man muss verhindern, dass Tore erzielt werden", so der Franzose.
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