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Neue Forschung:
Das Internet ist überhaupt kein Strom-Verschwender

Als aktiver Nutzer digitaler Dienste konnte man zuweilen durchaus ein schlechtes Gewissen bekommen, wenn man den dadurch entstehenden Energieverbrauch vorgerechnet bekam. Dabei ist es weniger schlimm als vermutet, sagen nun zwei Wissenschaftler.
29.06.2021  08:51 Uhr
Jonathan Koomey und Eric Masanet haben eine neue Analyse veröffentlicht, die durchaus als Kritik an den bisherigen Arbeiten diverser Kollegen zu dem Thema verstanden werden kann. Unterschwellig werfen sie diesen vor, dem Gesamtbild nicht genug Beachtung zu schenken. Oft wird einfach nur der Stromverbrauch der großen Datenzentren als einzige Größe angesetzt, die dann zu dem Schluss führt, dass die datenintensiven Anwendungen des Netzes einen enormen Energieverbrauch verursachen und so letztlich ein riesiger Umweltfrevel sind. Die beiden Forscher, die bis vor einiger Zeit für das Lawrence Berkeley National Laboratory tätig waren - Koomey ist inzwischen unabhängig tätig, Masanet übernahm eine Professur an der University of California, Santa Barbara - gelten als ausgewiesene Experten, wenn es um die Nutzung von Energie und die Auswirkungen dessen auf die Umwelt geht. Insofern dürfte ihre aktuelle, im Journal Joule publizierte Arbeit durchaus Gehör finden.

Effizienz steigt schnell

Wie sie darin ausführen, sorgt der Blick auf einzelne Teile des gesamten Systems jeweils dafür, dass insbesondere die Entwicklung über längere Zeit kaum eine Rolle in der Betrachtung spielt. So verweisen sie beispielsweise darauf, dass der Telekommunikationskonzern Telefonica im Corona-Jahr 2020 insgesamt 45 Prozent mehr Datenvolumen durch seine Netzwerke schaufelte. Der Energieverbrauch ist dabei nicht angestiegen - denn die Anlagen waren ja ohnehin aktiv und wurden zunehmend auch durch effizientere Systeme ersetzt. Beim Netzbetreiber Cogent zeigte sich die Entwicklung noch deutlicher: Dieser bewältige 38 Prozent mehr Traffic mit 21 Prozent weniger Stromverbrauch.

Ähnlich verhält es sich mit den riesigen Datenzentren großer Betreiber wie Amazon, Microsoft und Co. Diese haben ihre Arbeitsleistung im Zeitraum von 2010 bis 2018 um 2600 Prozent gesteigert. In der gleichen Zeit stieg der Energieverbrauch um 500 Prozent, da diverse neue Rechenzentren dieser Art gebaut wurden. Allein hier zeigt sich bereits die Wirkung der steigenden Effizienz der Hardware. Nimmt man am Ende allerdings sämtliche Datenzentren zusammen, stieg der Energiebedarf der deutlich größeren Datenmengen, die bewältigt werden müssen, gerade einmal um 10 Prozent. Das liegt daran, dass viele Unternehmen ihre kleinen Datenzentren aufgaben und ihre digitalen Anwendungen in die großen, sehr viel effizienteren Cloud-Standorte verlagerten.

Die Verschiebung wird auch an einem anderen Beispiel deutlich: 2010 wurden laut den beiden Forschern noch 79 Prozent aller Rechenarbeiten in den traditionellen, kleineren Datenzentren bewältigt. Bis 2018 verschoben sich die Anteile so deutlich, dass 89 Prozent der Berechnungen in den großen Cloud-Anlagen erledigt wurden.

Fragezeichen über Bitcoin

In ihre Relativierung des Energieverbrauchs durch digitale Systeme wollten die beiden die Kryptowährungs-Systeme allerdings nicht aufnehmen. Hier gibt es aus ihrer Sicht schlicht noch zu viele unbekannte Faktoren - allerdings scheint die Kritik am System Bitcoin auch aus Sicht von Koomey und Masanet in gewisser Weise berechtigt - auch wenn sie zu deutlich geringeren Anteilen am weltweiten Energieverbrauch kommen als andere.

Sie stützen sich auf Berechnungen der Cambridge University, nach denen der Betrieb von Bitcoin 0,4 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs in Anspruch nimmt. Auf den ersten Blick ist das nicht viel - was sich allerdings relativiert, wenn man bedenkt, dass die Datenzentren ohne Bitcoin zusammen auf rund 1 Prozent kommen. Angesichts dessen, was die Anlagen leisten und den zahlreichen Nutzern an sinnvollen Diensten bereitstellen, ist dieses eine Prozent aus Sicht von Koomey gut investiert. "Ich bin mir nicht sicher, ob man das auch vom Anteil Bitcoins sagen kann", führte er aus.

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