Der Fall Julian Assange läuft heute auf einen neuen Höhepunkt zu. Vor einem Londoner Gericht beginnt der Prozess, in dem das Auslieferungsersuchen der USA diskutiert wird. Es geht dabei letztlich auch darum, wie ernst man es mit der Pressefreiheit wirklich meint.
In Großbritannien wird Assange derzeit im Belmarsh-Gefängnis festgehalten. Dieses ist als Verwahranstalt für Schwerverbrecher und Terroristen bekannt - und dies, obwohl ihm die britische Justiz höchstens noch immer die Verletzung von Kautionsauflagen vorzuwerfen hat und das Ermittlungsverfahren in Schweden schon längst eingestellt wurde. Lediglich eine Anklage in den USA steht derzeit noch im Raum.
Und diese hat es in sich: In 18 Punkten soll der Wikileaks-Gründer angeklagt werden. Die mögliche Höchststrafe beläuft sich auf 175 Jahre Gefängnis. Und an einem Schuldspruch zweifelt im Grunde keiner - aber nicht etwa wegen erdrückender Beweise, sondern schlicht, weil Kenner der US-Politik einfach nicht mit einem fairen Verfahren rechnen.
Begründet wird dies damit, dass die Anklage bei einem bestimmten Gericht im US-Bundesstaat Virginia eingereicht wurde. Dieses liegt in einem Bezirk, in dem vor allem Mitarbeiter von Geheimdiensten und anderen Sicherheitsbehörden der USA leben. Und da die Geschworenen-Bank stets so zusammengestellt wird, dass sie die Bevölkerungszusammensetzung des Gerichtsbezirks repräsentiert, werden also vor allem Personen über eine Schuld Assanges zu urteilen haben, die in den genannten Sektoren arbeiten. Vor dem fraglichen Gericht werden aus diesem Grund die meisten Fälle verhandelt, in denen es um vermeintliche oder wirkliche Staatsfeinde geht.
ROG: Eine reine Vergeltungsmaßnahme
Im unmittelbaren Vorfeld des Prozessbeginns in London gibt es daher vielfache Stellungnahmen, die eine Ablehnung der Auslieferung fordern. Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" sieht im Umgang mit Assange einen Angriff auf die Pressefreiheit. Die Anklage in den USA sei eine "reine Vergeltungsmaßnahme" für die Veröffentlichung diverser Dokumente durch die Wikileaks-Plattform. "Eine Verurteilung würde einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen für alle Journalistinnen und Journalisten, die geheime Informationen von öffentlichem Interesse publizieren", stellte der Verband klar.
Und auch der Whistleblower Edward Snowdenerklärte in seinem russischen Exil, dass jedes vernünftige Land das Auslieferungsersuchen zurückweisen würde. Ob das allerdings von Großbritannien zu erwarten ist, lässt sich kaum sagen. Die Praxis spricht hier eher gegen Assange. Der UN-Sonderberichterstatter über Folter, Nils Melzer, hat im Zuge seiner Kontakte zum Wikileaks-Gründer während seiner aktuellen Haft klare Anzeichen für Folter festgestellt.
Auch Chelsea Manning, von der Wikileaks zahlreiche Unterlagen aus dem Netzwerk des US-Militärs erhielt, sitzt trotz ihrer Begnadigung durch Barack Obama aktuell wieder im Gefängnis. Diesmal aber nicht aufgrund neuer Vorwürfe. Vielmehr wurde Beugehaft angeordnet, weil Manning nicht zu Lasten Assanges aussagen will - sie erklärte schlicht, bereits während ihres eigenen Prozesses alles zu Protokoll gegeben zu haben, was es zu sagen gibt.