"Nicht perfekt": Gesichtserkennung lieferte Polizei 92% Falschpositive

Christian Kahle, 07.05.2018 09:02 Uhr 23 Kommentare
Einer der größten Einsätze von Gesichtserkennungs-Systemen durch die Sicherheitsbehörden endete im Grunde im Desaster. Die zuständigen Stellen versuchen allerdings händeringend, das biometrische Verfahren trotzdem zu verteidigen und suchen nach Ausreden, warum es letztlich nicht so funktionierte, wie man es sich vorgestellt hatte. Der große Praxistest des neuen Systems der walisischen Polizei fand vor inzwischen fast einem Jahr statt, als rund 170.000 Menschen nach Cardiff reisten, um das Finale der Champions League - den wichtigsten Vereinspokal im europäischen Fußball - zu zelebrieren. Kameras sollten hierbei die Gesichter der Besucher erfassen, um einen automatisierten Abgleich mit Fahndungs-Listen zu ermöglichen.

Wie gut das funktionierte, war lange Zeit nicht zu erfahren. Und das hat durchaus seinen Grund. Die Behörde räumt nämlich ein, dass "kein Gesichtserkennungs-System hundertprozentig korrekt" arbeite. Der in Cardiff erreichte Wert war von der Perfektion letztlich aber so ziemlich maximal entfernt: Von 2470 Treffern, die das System meldete, handelte es sich in immerhin 2297 Fällen um so genannte Falschpositive - also Fehlalarme. Zu 92 Prozent lagen die Algorithmen hier also schlicht falsch, berichtet der Guardian.

Die hohe Fehlerquote führte man unter anderem darauf zurück, dass die Vergleichsbilder, die von diversen Quellen von Interpol bis hin zum Fußballverband UEFA stammten, in vielen Fällen eine ziemlich schlechte Qualität aufwiesen. Außerdem sei es der erste große Test eines solchen Systems gewesen. Im Zweifelsfall kann aber jeder falschpositive Fall gravierende Auswirkungen haben, da hier eine völlig unschuldige Person ins Visier der Behörden gelangt.

Keine verhafteten Unschuldigen

Laut der walisischen Polizei läuft es inzwischen wesentlich besser. In den folgenden neun Monaten habe man mit Hilfe des Verfahrens über 450 Festnahmen durchführen können (- wobei natürlich unklar bleibt, wie viele davon auch mit der klassischen Polizeiarbeit möglich gewesen wären). In dieser Zeit sei auch keine einzige Falschpositiv gemeldete Person verhaftet worden.

Der Einsatz des Systems bei der walisischen Polizei könnte aber letztlich auch beispielhaft dafür sein, wie man mit der Technologie arbeiten kann. Insbesondere bei Großereignissen sieht man aufgrund möglicher terroristischer Bedrohungen ein Anwendungsgebiet, weil hier schnell sehr viele Personen angesehen werden müssen. Allerdings verlässt man sich hier offenbar auch nicht blind auf die Technik, sondern unterzieht jeden Einzelfall einer genauen Überprüfung, so dass sich die Fehlalarme zumindest nicht dahingehend auswirkten, dass ein völlig unbescholtener Bürger erst einmal Stunden in der Verwahrungszelle statt im Zuschauerraum verbringt.

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